Die Berliner Hospitality-Agentin Eva Miriam Gerstner teilt ihre Gedanken mit euch: über Gastronomie und Gastfreundschaft, über Corona und wie eine neue Normalität aussehen könnte. Sie spricht Klartext und  manchmal lässt sie, wie wir wohl alle zurzeit, ihren Gefühlen freien Lauf. Vor allem aber hat sie jede Menge Tipps parat. Im dritten Teil ihrer Reihe geht’s um Marketing: was es ist – und was nicht. 

„Mach doch mal ein bischen mehr Marketing!“, „Musst Dich halt gut vermarkten!“, „Bist doch ne coole Marke!“, „Mehr Werbung hilft doch da sicherlich!“, „Videos und so, das ist doch grad total in, mach doch auch mal!“ …

Wir kennen alle diese und ähnliche Aussagen zur Genüge. Ist von außen immer mehr als einfach gesagt. Man selbst versucht unterdessen einen Betrieb am Laufen zu halten hat, steht selbst (gefühlte) 100 Stunden in der Woche genau jenem Betrieb mit allem Drum und Dran zur Verfügung und hat auch leider kein abgeschlossenes Marketing- und Kommunikationsstudium.

Wie das alles so genau zusammen hängt hat man ja auch schon mal irgendwie und irgendwo gelesen oder im Netzwerk besprochen, aber ja … wie gesagt.

Neben dem Alltagsgeschäft bleibt auch ganz oft leider keine Zeit und manchmal fehlt auch die Lust, sich noch ausgiebiger mit Marketing und dem ganzen Kram zu beschäftigen, geschweige denn, sich hinreichend tiefgründig mit einer strategische ausgelegten Marketingkonzeptionen zu befassen. Schon das Wort alleine bereitet einem oftmals Kopfzerbrechen und Magenschmerzen.

Und schwupps sind die nächsten 10.000 Kugelschreiber bestellt, ist die Anzeige im Wochenblatt geschaltet, der kleine Platz auf der Messe gebucht (dort wo alle immer sind), und jede Woche wird ein neues Facebook-Posting rausgehauen, ohne dass das Ganze so richtig einen Sinn ergibt. Aber ja, besser als nix.

Stopp! Stopp! Stopp! Alltagsszenario einmal aus!

Warum nutzen wir nicht genau jetzt diese Zeit, um uns einmal mit den Basics zu beschäftigen und diese für unseren Betrieb anzuwenden? Man muss ja nicht immer gleich mit Kanonenkugeln auf Spatzen schießen, aber Basiswissen plus kreative Eigenleistung kann richtig Schub geben.

Probieren wir es aus.

Zuerst einmal ganz wichtig: Marketing ist nicht Werbung, ist nicht Marke, ist nicht Kommunikation. Also eigentlich schon, aber eigentlich auch gar nicht. Warum? Ist halt so. Klare Fakten müssen her. Lasst uns loslegen!

Fangen wir mit dem Begriff an sich an: MARKET – ing.

Auf deutsch, frei übersetzt: Handeln, wie es der Markt verlangt, etwas auf den Markt bringen, am Markt handeln. Heißt: Wir bringen etwas auf den Markt, bieten es dort an und richten uns nach den Bedürfnissen des Marktes. Bestenfalls, um erfolgreich zu sein. Wobei man Markt auch mit Zielgruppe oder Kunden gleichsetzen kann.

Wir liefern also unserem Markt, unseren Kunden, das, was sie haben wollen, oder das, wonach sie suchen, oder was sie gut finden. Bis dato hat das erst mal nix mit Werbung oder was auch immer zu tun. Korrekt?

Bevor wir anfangen, den Markt mit unseren Produkten, Angeboten und Dienstleistungen zu beglücken, machen wir uns nochmals ein paar Gedanken über uns selbst.

Warum? Weil eine Marke die Grundlage für das Marketing bildet. Und weil es vielleicht jetzt genau gerade auch ganz gut tut, nochmals über das Warum und Wie nachzudenken, bevor man es (wieder) laut in den Markt hinaus schreit.

In klugen Wirtschaftstexten heißt es: Wer erfolgreich sein will, braucht eine gute Marke. Wobei man sowohl seinen Produkten, seinem Hotel oder Restaurant, aber auch sich selbst eine Marke verleihen kann. Das kommt ganz auf das eigene Ziel an.

Wenn man so darüber nachdenkt, steht eine Marke immer irgendwie für ein Original, steht für Qualität und sticht aus der Masse heraus. Eine Marke wird automatisch immer mehr „bemerkt“, bzw. ist auch „bemerkenswert“. Gefühlt zumindest.

Warum ist das so? Ich bin der Meinung, da spielt immer ein hohes Maß an Authentizität eine große Rolle. Und Selbstvertrauen. Man hat ein klares Ziel, hinter dem man voll und ganz steht. Eine klare Meinung, eine klare Kernaussage, die man auch laut äußert. Diese Meinung ist verständlich und nachvollziehbar und wird vom Kunden mit Vertrauen in die Marke belohnt. Die Kunden haben „ein gutes Gefühl“ bei und mit uns und mit unseren Produkten. Eigentlich nachvollziehbar.

Gut, ja, man macht ja eh schon alles, um die Kunden glücklich zu machen, und ob man da eine wirkliche Marke ist oder nicht, ist vielleicht auch erst einmal zweitrangig. Auch richtig.

Trotz allem können wir doch wie beschrieben diese Zeit nutzen, Bestehendes zu hinterfragen und zu schauen: Wo stehe ich eigentlich gerade? Gefällt mir das alles generell noch? Ist die Leidenschaft noch da? Einfach vielleicht mal drauf einlassen, schauen, nachjustieren – ist eine Herausforderung, macht aber auch Spaß und bringt gute Laune. Und gute Laune ist ja das, was wir gerade alle am Nötigsten brauchen, oder?

1. Das Mission Vision Statement

Hier kann man sich so einiges von Start-ups abschauen. Versucht einmal mit einem Satz eure Mission aufzuschreiben. Die Mission ist in diesem Fall euer Unternehmenszweck. Drastischer formuliert: eure Daseinsberechtigung. Diese Mission ist die Basis für eure Vision. Nämlich, was ist das langfristige Ziel der Unternehmung, und wo seht ihr euch in den nächsten Jahren? Auch hier solltet ihr nicht mehr als ein bis zwei Sätze benötigen.

Ganz wichtig: Verliert euch nicht in allgemeinem und leerem Blabla, sondern formuliert eine klare und nachhaltige Botschaft.

2. Die Imagedefinition

Schreibt eure Werte auf. Was ist euch wichtig? Welche Kernaussagen wollt ihr transportieren? Wie arbeitet ihr? Und warum? Welche Gefühle wollt ihr bei den Kunden auslösen? Was ist eure Herzensangelegenheit? Warum macht ihr das überhaupt?

3. Das Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Point)

Hier geht’s ans Eingemachte. Was ist euer konkretes Konzept? Was ist die konkrete Idee dahinter? Warum bietet ihr an, was ihr anbietet? Was sagen die Kunden über das Produkt? Was sollen sie künftig sagen? Warum soll jemand zu euch kommen und bei euch kaufen? Warum soll er nicht zum Nachbarn gehen und dort kaufen? Was sind eure Vorteile? Was ist bei euch besser als nebenan?

4. Unsere Identität

Zuerst müsst ihr hier nochmals nach innen: Was ist eure Geschichte? Was ist die Story hinter eurem Angebot? Sicherlich gibt es doch genau die besondere Story! Schreibt diese auf und definiert damit nochmals eure Leidenschaft.

Und wenn ihr nun all das Innere reflektiert habt, schaut euch um und stellt euch die Frage: Passt der bisherige Außenauftritt zu all dem? Das Logo? Die Farben? Die Schriftart? Die Webseite? Die Farben, die wir überall nutzen, die Mitarbeiter*innen-Kleidung?

5. Die Tonalität und Bildsprache

Am Ende solltet ihr auch darüber nachdenken, wie ihr mit euren Kunden sprecht. Frech und jung oder doch eher gediegen und seriös? Lange Sätze, oder kurze? Laut oder leise? Nutzt ihr Musik? Wenn ja, welche? Seid ihr eher Popmusik oder eher Mozart? Was wollt ihr über Bilder transportieren? Welche Gefühle wollt ihr wecken? Welche Sprache, welche Tonalität, welche Bildsprache trifft am besten auf euer Produkt zu?

Und wenn ihr dann, bei einer guten Flasche Wein oder Bier, dasitzt, und bewundernd auf den Glanz eurer neuen alten Marke schaut, dann, ja dann lasst uns über die Werbung und die Kugelschreiber sprechen.

Aber dazu mehr in der nächsten Folge.